Aus der Frankfurter Rundschau:
Frankfurter Rundschau: Herr Frank, ist die Anspannung mittlerweile abgeflaut, nachdem Sie nach dem Spiel gegen Braunschweig doch ein wenig angeschlagen wirkten? Oder wirkt der Abstiegskampf noch nach?
Wolfgang Frank: In der Form, wie der Abstiegskampf abgelaufen ist, ist es durchaus nachvollziehbar, dass das nicht spurlos an einem vorbeigeht. Das wäre ja schlimm, dann hätte man keine Gefühle mehr. Aber nach einem gewissen Abstand muss man zur Ruhe kommen. Dann analysiert man und überlegt: Was ist in diesem Jahr passiert?
Ist die Analyse abgeschlossen oder sind Sie noch dabei?
Ich bin noch dabei. Denn es gibt ja viele Dinge: die Spiele auswerten, wer hat wie viele Spiele gemacht, mit wem haben wir sehr oft gewonnen, mit welchen weniger oft. Und wer hat wie viele persönliche Fehler gemacht. Diese Dinge sind wichtig bei der Beurteilung der Situation. Vor allem bei dem, was seit der Winterpause passiert ist.
Gibt es Zwischenergebnisse?
Wenn wir alles hinterfragen, müssen wir zu dem Ergebnis kommen: Die Personalpolitik war sicher nicht ideal.
Ihre Mannschaft war über die Saison hin extremen Schwankungen unterworfen. Erst startete sie schlecht, dann katapultierte sie sich mit sechs Siegen in Folge auf Platz sechs, um dann in 15 Spielen nur einen Sieg zu holen und am Ende nur mit Müh und Not in der Liga zu bleiben. Haben Sie dafür eine schlüssige Erklärung?
Für die erste Phase gibt es schon eine Erklärung. Nach der tollen Rückrunde der vergangenen Saison (der OFC sicherte in der Rückrunde der Spielzzeit 2005/2006 mit 26 Punkten aus 14 Spielen den Klassenerhalt; Anm. d. Red.) waren die Erwartungen extrem hoch. Da war das 2:2 am ersten Spieltag zu Hause gegen Aufsteiger Jena schon eine ganz große Enttäuschung. Danach haben wir die Kurve nicht gekriegt. Bis wir uns gefangen haben, waren einige Spiele rum. Dann haben wir aber eine Serie hingelegt, die gezeigt hat, wozu wir in der Lage sind, wenn die Einstellung und die Teamqualität funktioniert.
Und wie kam der erneute Einbruch zustande?
Das ist eine hochinteressante Geschichte. Oft kommen Mannschaften, die vor der Pause gut drauf waren, schlecht aus der Winterpause. Wir haben aber die ersten beiden Spiele gewonnen, und danach war man sich nicht ganz schlüssig darüber: Wo geht der Weg hin? Dann kam die Pokalauslosung (Viertelfinale gegen den Erzrivalen Eintracht Frankfurt; Anm. d. Red.), und dann haben wir ein paar Energien nicht in die richtige Richtung gelenkt.
Was meinen Sie damit?
Wir haben hinsichtlich des Personals falsche Entscheidungen getroffen. Wir haben Regis Dorn zu Hansa Rostock gehen lassen, das würde ich heute nicht mehr machen. Und wir haben Marco Reich verpflichtet (zudem noch Abwehrspieler Alen Basic und die beiden Stürmer Anestis Agritis und Torsten Oehrl; Anm. d. Red.). Der hat sportlich nicht das gebracht, was wir erwartet haben. Hinzu kam durch die Niederlagen die Unzufriedenheit allgemein, und dann waren wir in einem Fahrwasser, aus dem herauszukommen nicht ganz einfach war. Auch das Pokalspiel gegen Frankfurt (eine 0:3-Niederlage im Viertelfinale; Anm. d. Red.) war sicher ein Knackpunkt. Und die Teamqualität war nicht mehr so vorhanden. Wir haben das zum Schluss korrigiert (Reich und auch der vor Rundenbeginn verpflichtete Markus Kreuz wurden aus dem Kader gestrichen; Anm. d. Red.). Wir haben natürlich alles überprüft, aber meine Erkenntnis ist: Die Personalentscheidungen haben in hohem Maße mitgewirkt.
Mit Personalpolitik meinen Sie nur die vier Zugänge im Winter? Oder haben Sie sich auch schon bei den Verpflichtungen im vergangenen Sommer verspekuliert?
Das würde ich nicht sagen. Aber wir haben in Markus Kreuz im Sommer und Marco Reich im Winter für zentrale Positionen Spieler geholt, die die Erwartungen in keiner Weise erfüllt haben. Nun kann man sagen: Der Trainer hat die Spieler nicht genug gefördert. Aber beide sind von ihren Fähigkeiten eigentlich Bundesligaspieler, die aber nicht abrufen konnten, was sie können. Es hat einfach nicht gepasst. Und diese Entscheidungen würde ich heute nicht mehr treffen. Künftig ist es so, dass wir die Leute, die zu uns kommen sollen, noch besser überprüfen müssen.
Reich und Kreuz stehen in Offenbach noch unter Vertrag. Haben sie auch eine Zukunft beim OFC?
Ich habe sehr viel mit ihnen gesprochen, und ich habe nicht die Hoffnung, dass da Entscheidendes passieren wird. Ich denke, es waren zwei große Missverständnisse.
Was macht Sie zu pessimistisch?
Ich habe sie kennen gelernt. Beide sind vielleicht guten Willens, aber mit fast 30 Jahren ist es vielleicht nicht mehr ganz so einfach, Dinge zu ändern. Ich lasse mich überraschen, aber ich kann es mir nicht vorstellen.
Das heißt, Sie planen nicht mehr mit den beiden?
Ich plane mit allen Spielern, die einen Vertrag haben. Aber es gibt Situationen, in denen muss man sagen: So und so sieht es aus.
Wo sehen Sie ansonsten die größten Baustellen in Ihrem Team?
Gerade die letzten Spiele in Augsburg, Köln und gegen Braunschweig haben gezeigt, dass wir nicht alles komplett ändern müssen. Aber in der Statistik ist allerdings abzulesen: Wir müssen uns in der Defensive verstärken. Da brauchen wir einfach eine höhere Stabilität.
Neue Leute für die Abwehr also?
Genau. Aber auch im Mittelfeld muss was getan werden. Aber es hängt auch davon ab, wer noch geht und bleibt. Was passiert mit Christian Müller (der Verteidiger ist umworben; Anm. d. Red.), Christian Pospischil, Bastian Pinske oder Ramazan Yildirim (bei allen läuft der Vertrag aus und es gibt noch keine Einigung; Anm. d. Red.)?
Würden Sie zustimmen, wenn man sagt: Im zentralen defensiven Mittelfeld mangelt es, bei allen Qualitäten, die Thomas Wörle und Stephan Sieger haben, ein wenig an Dynamik?
Da kann ich zustimmen. Es ist klar, dass wir da was machen werden, ohne dass ich sagen will: die beiden haben keine Chance mehr. Aber wir brauchen Alternativen.
Gibt es auch positive Entwicklungen?
Durchaus. Christian Müller hat sich gut entwickelt, Niko Bungert auch. Thorsten Judt hat gezeigt, was er mit seiner Routine und Qualität wert ist, Thomas Wörle hat sich in der Liga etabliert. Und auch Oualid Mokhtari hat, gerade am Ende, gut gespielt. Es gab auch gute Sachen, aber sonst wären wir ja auch abgestiegen.
Stellen Sie bei der Analyse der Saison auch Ihre Arbeit infrage?
Natürlich. Ich habe alles hinterfragt. Die Fitness war aber absolut tauglich. Das System auch. Wenn man die Siegesserie mitten in der Saison sieht, können wir nicht alles falsch gemacht haben. Wir mussten eine Entwicklung durchmachen, vor allem vom Kopf her. Diese Prüfung glaube ich, haben wir bestanden. Die entscheidenden Dinge, und da wiederhole ich mich, waren die Personalentscheidungen. Aber in unserer finanziellen Lage müssen wir oft Spieler holen, die woanders nicht mehr gespielt haben oder lange verletzt waren. Und das klappt eben nicht immer so gut wie mit Momo Diabang (der Stürmer kam zur Rückrunde 2005/2006 aus Bochum und schoss neun Tore für den OFC; Anm. d. Red.).
Das Präsidium hat Sie in einer Phase, in der Vorstände gerne den Trainer rausschmeißen, gestützt. Hatten Sie trotzdem zwischendurch Sorge, entlassen zu werden?
Man muss diese Dinge einfach ausblenden und seine Arbeit machen. Und ich denke, wir haben eineinhalb Jahre sehr gute Arbeit gemacht. Eine Mannschaft, die aufgestiegen ist, in der Liga zu halten, ist immer eine große Herausforderung. Natürlich wäre es besser gewesen, wenn wir das den einen oder anderen Spieltag früher hätten regeln können, aber wenn man die Möglichkeiten in Offenbach sieht, dann ist es ein Erfolg, die Liga gehalten zu haben. Die große Qualität des Vorstands ist sicher die, dass er die Ruhe bewahrt hat. Außerdem haben wir sehr gut kommuniziert. Das Präsidium hat gesehen, was wir gemacht haben und dass der Draht zwischen Mannschaft und Trainerstab sehr gut ist.
Wie sehen die Perspektiven aus? Können Sie dem Umfeld des OFC noch ein Jahr Abstiegskampf verkaufen oder muss es jetzt voran gehen?
Wir müssen aufhören, permanent vom Abstieg zu erzählen. Irgendwann kommt nämlich dann der Punkt, an dem du absteigst. Wir müssen weg von der Zielsetzung, einfach nur die Klasse zu halten. Wir müssen sagen: Wir wollen uns weiterentwickeln. Es geht darum, wieder eine Verbindung zum Fan herzustellen, die nicht nur in der Tradition des OFC begründet ist, sondern auch auf guten Fußball fußt. Wir werden in der neuen Saison versuchen, uns wirklich in der Liga zu etablieren. Das ist mein Ziel. Ich will es einfach nicht mehr hören, dass wir nur gegen den Abstieg spielen. Natürlich gibt es zehn bis zwölf Mannschaften, deren Etat höher ist als unserer. Aber dann müssen wir es eben mit anderen Mitteln versuchen, beispielsweise mit Teamgeist. Der muss den ganzen Klub erfüllen, dann haben wir eine gute Chance.
Interview: Andreas Hunzinger