Aus der Offenbach Post:
Komplimente für die Kickers, die aber nach Platzverweis in den letzten 13 Minuten vier Gegentore kassieren
Von Jochen K o c h
Aachen – 70 Minuten lang hofften die Offenbacher Kickers auf den dritten Sieg in Folge. Sieben Minuten zitterten sie um einen Punkt. 13 Minuten lang erlebten sie die totale Depression, die in einem 0:4 gegen Alemannia Aachen endete. Aber was war das für ein verrücktes Spiel, wenn schon Aachens Trainer Guido Buchwald nach einem Sieg mit vier Toren Unterschied sagt: „Wir waren einen kleinen Deut besser. Kompliment an die Offenbacher.“ Und sein Kollege Wolfgang Frank war bis zur Schlussphase „der festen Überzeugung, dass wir gewinnen“.
Die Offenbacher hatten die Aachener 70 Minuten lang gut im Griff. Mit ihren zwei sehr tief stehenden Viererketten zwangen sie die Gastgeber immer wieder zu langen Bällen, die dann von Niko Bungert und Martin Hysky sicher geklärt wurden. Brisant, aber nicht wirklich gefährlich, wurde es nur bei den wenigen Eckbällen. Wie Nadelstiche kamen dann die Offenbacher Konter. Die klarste Chance hatte Daniyel Cimen, der aber übers Tor schoss (30.). Pech für die Kickers, dass der überforderte Schiedsrichter Babak Rafati eine Notbremse von Leiwakabessy gegen Mokhtari (20.) ebenso wenig ahndete, wie das Foul von Herzig gegen Müller Zentimeter vor dem Aachener Strafraum (44.). Für die vielen Reklamationen seiner Spieler entschuldigte sich Frank in der Halbzeit beim Schiedsrichter. Aber Rafati entscheid trotzdem das Spiel. Erst Gelb gegen Türker, als er den Torwart beim Abschlag behinderte, dann Gelb-Rot, weil Türker einen Freistoß mit der Hand stoppte. „Fußball ist ein besonderes Spiel, wenn man die Hand benutzt, fliegt man vom Platz“, kommentierte Frank den Platzverweis in einer Phase, in der die Zuschauer ob des einfallslosen Spiels der Aachener schon unzufrieden wurden. Beim Spiel elf gegen elf hatten die Aachener in der zweiten Halbzeit einen einzigen (harmlosen) Torschuss geschafft. Aber gegen die zehn Offenbacher hatten sie dann leichtes Spiel. Wieder einmal, denn auch beim letzten Sieg 2006 (4:2) gewannen die Aachener gegen zehn Offenbacher.
Das war keine Klatsche
„Spiel entscheidend war der Platzverweis“, bedankte sich Buchwald bei seinem Reutlinger „Landsmann“ Türker. Plötzlich war das Selbstvertrauen den Selbstzweifeln gewichen. Immer mehr Zweikämpfe wurden verloren. Die Kickers schafften es nicht, 20 Minuten in Unterzahl zu überstehen. Die Ordnung war weg. Nach einem Fehler an der Außenlinie von Christian Müller („Meine Schuld, keine Frage“) bediente Nemeth den allein gelassenen Kolev und der für den schwachen Ebbers eingewechselte Bulgare erzielte mit dem zweiten Torschuss in der 77. Minute das 1:0. Alles oder nichts, verlangte Frank. Aber „nach dem 1:0 ging gar nichts mehr“, sah der Trainer eine wie paralysiert agierende Mannschaft. „Jeder Schuss ein Treffer“, kommentierte Frank die Schlussphase, als die Aachener durch Lehmann (80.), Kolev (89.) und Milchraum (90.) den Kickers zum zweiten Mal nach 2006 vier Gegentore verpassten. Allesamt für Daniel Endres unhaltbar. Der Vertreter von Cesar Thier, der zum Spiel lieber gar nichts sagen wollte, hatte zum „letzten Mal in der E-Jugend vier Tore kassiert“.
„Jetzt weiß jeder, wie schnell es gehen kann, wenn etwas nicht funktioniert“, versuchte Frank die üblichen Lehren aus dem 0:4 zu vermitteln. Das Ergebnis war an diesem Tag zweitrangig. Die Art und Weise, wie die Kickers ihre Chance auf einen Sieg bei einem Aufstiegsaspiranten verspielten, war leichtfertig. Auch nach dem Platzverweis hätte es bei konsequenter Zuordnung und Spielweise gegen harmlose Aachener zu einem Punkt reichen müssen. Trotzdem sprachen fast alle Offenbacher von einem guten Saisonstart. „Dieses Ergebnis klingt nach einer Klatsche, war aber keine und wirft uns nicht aus der Bahn. Unser Start ist mit sechs Punkten immer noch gelungen“, sagte Kapitän Judt vor dem Heimspiel gegen Augsburg am Freitag.
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