Am kommenden Dienstag wird Niko Semlitsch nicht zum Bieberer Berg fahren. Der 60 Jahre alte ehemalige Verteidiger und Trainer der Offenbacher Kickers wird zu Hause in Steinbach bei Gießen vor dem Fernseher Platz nehmen und das Pokalderby zwischen dem OFC und Eintracht Frankfurt anschauen – in aller Ruhe. (Quelle: fr-online.de)
Semlitsch muss nicht mehr unbedingt ins Getümmel, er kennt die besondere Atmosphäre ohnehin genau. Schließlich trug der knorrige Mittelhesse von 1969 bis 1974 das Kickers-Trikot, und selbstverständlich hat er seine Erinnerungen an die Duelle mit dem Erzrivalen. „Damals war da noch ein bisschen mehr Hass“, sagt Semlitsch. „Jeder wollte die Macht am Main sein“. In den 70ern war der OFC auf Augenhöhe, und am Ausgang manch eines Duells war Semlitsch entscheidend beteiligt. Beispielsweise beim 5:2-Heimsieg im Oktober 1973, als Semlitsch „das beste Spiel meiner Karriere“ machte und ein Tor erzielte. „Dieses Spiel“, sagt er, „ist auch das einzige, das ich zu Hause noch auf DVD habe“.
In seinem Gedächtnis haften geblieben sind zwei weitere Derbys: Im Oktober 1972 lag der OFC am Bieberer Berg nach 85 Minuten 1:2 zurück, „und Bundestrainer Helmut Schön ist schon gegangen“, erzählt Semlitsch. Als Schön kurze Zeit später im Auto das Radio angeschaltet habe, „hatten wir 3:2 gewonnen, weil Erwin Kostedde noch zwei Tore gemacht hat“. Und einmal, bei der 0:2-Niederlage am 29. Mai 1971, habe er ganz schlecht ausgesehen. „Erst bin ich nicht zum Kopfball hoch gegangen und Bernd Nickel hat ein Fallrückziehertor gemacht“, sagt Semlitsch. Danach habe er gegen Bernd Hölzenbein gespielt, und auch dem gelang ein Treffer. Insgesamt ist Semlitsch mit seiner Bilanz allerdings zufrieden, „ich habe mehr Derbys gewonnen als verloren“.
Das wiederum sei damals wie gesagt wichtig gewesen. Denn natürlich konnte sich Semlitsch der Rivalität nicht entziehen. Da er aber in der Olympiaauswahl des DFB mit den Eintracht-Profis Bernd Nickel und Jürgen Kalb zusammenspielte, gab es durchaus freundschaftlichen Kontakt. Nur eins ging gar nicht: ein Wechsel nach Frankfurt. Einmal hätten die Eintracht und er schon über einen Wechsel verhandelt, so Semlitsch. „Doch OFC-Präsident Canellas hat es nicht zugelassen, dass ein Offenbacher zur Eintracht wechselt.“
Später, nachdem Semlitsch von März bis Dezember 1989 Trainer beim OFC gewesen und die bittere Stunde des Lizenzentzuges miterlebt hatte, hat sich sein Verhältnis zur Eintracht positiv entwickelt. Als Trainer der hessischen Oberligisten SG Egelsbach, SG Höchst, KSV Klein-Karben und des FSV Frankfurt traf er regelmäßig auf die Eintracht, wenn auch nur auf das Amateurteam. „Sehr gut“, sei der Kontakt heute, sagt er. Und dennoch: Wenn Niko Semlitsch am Dienstagabend vor dem Fernseher sitzt, wird er „den Kickers etwas mehr die Daumen drücken“. hunz
http://www.fr-online.de/in_und_ausland/sport/kickers_offenbach/?em_cnt=1081037