Aus der Frankfurter Rundschau:
VON ANDREAS HUNZINGER
Der Kapitän machte die Ausnahme. Thorsten Judt war nach dem 2:0 (1:0)-Heimsieg der Offenbacher Kickers gegen 1860 München der einzige unter den Spielern und Funktionsträgern des hessischen Fußball-Zweitligisten, der nicht den Begriff „Riesenschritt“ benutzte, um die Situation des OFC im Kampf um den Klassenerhalt zu beschreiben. Der 36 Jahre alte Mittelfeldspieler, der seinen Vertrag um einen weiteres Jahr bis 2009 verlängert hat, drückte den Sachstand anders aus. „Man braucht nur auf die Tabelle zu schauen, dann weiß man, was los ist“, sagte der Routinier.
Ein Blick auf das Klassement bestätigte, was Judt meinte und was von Torjäger Suat Türker bis Trainer Jörn Andersen fast alle Offenbacher mit dem Begriff „Riesenschritt“ gemeint hatten. Sechs Spieltage vor Saisonschluss haben die Kickers acht Punkte Vorsprung auf einen Abstiegsplatz, „und es muss schon viel schief laufen, um diesen Vorsprung aus der Hand zu geben“, sagte Judt. Sein Vorgesetzter Thomas Kalt ging gar noch weiter. Der OFC-Vizepräsident war der Meinung, „dass nichts mehr schief geht, wenn wir konzentriert weiterarbeiten. Die paar Punkte holen wir noch.“
Trainer Andersen übte sich derweil ein wenig in Zurückhaltung. Zwar sprach auch der Norweger nach dem achten Saisonerfolg davon, „dass acht Punkte ein Batzen sind“, aber der Coach warnte auch. „Wir müssen vorsichtig sein“, sagte der 45-Jährige. Falls seine Mannschaft zweimal verlieren sollte und die Konkurrenz gewänne, „wird es schnell wieder eng“. Die Leistung vom Sonntag hat Andersen aber Mut gemacht im Hinblick auf den Endspurt. „Die Mannschaft entwickelt sich“, sagte der OFC-Trainer, der mit einer extrem offensiven Taktik (siehe nebenstehenden Bericht) ein hohes Risiko gegangen war. Und weil sein Team stetig Fortschritte mache, „sind wir stark genug, um überall zu punkten“.
Gegen die Münchner Löwen reichte die Qualität der Offenbacher jedenfalls. Auch weil die Gäste in der ersten Halbzeit „viel zu wenig zeigten“, wie 1860-Coach Marco Kurz monierte, und die Kickers in der Offensive ordentlich spielten. Dennoch bedurften sie beim Führungstor der tatkräftigen Unterstützung des Münchner Verteidigers Fabian Johnson, der nach einer Flanke von Judt und arg bedrängt von OFC-Angreifer Aristide Bancé den Ball zum 1:0 ins eigene Tor bugsierte (30.).
Die Münchner hatten ihre größten Torchancen erst nach der Pause, als Berkant Göktan (46.), Lars Bender (50.) und Lukasz Szukala (74.) am jeweils stark reagierenden Offenbacher Torhüter Cesar Thier scheiterten, dem Andersen hinterher „ein Sonderlob“ zuteil werden ließ. Der OFC legte bei seiner ersten Möglichkeit nach dem Seitenwechsel das 2:0 durch Suat Türker nach, der aus kurzer Distanz einschoss (56.), stellte danach aber seinen Trainer nicht mehr zufrieden. Zu hektisch habe sein Team agiert, monierte Andersen, „da hätten wir mehr Drecksack sein und besser Fußball spielen müssen“. Doch da die Münchner nicht die nötige Entschlossenheit besaßen, um die Kickers in ernste Verlegenheit zu bringen, siegten die Gastgeber, die am Mittwoch bei der Spielvereinigung Greuther Fürth auf Abwehrchef Moses Sichone verzichten müssen, der die fünfte Gelbe Karte sah. „Vielleicht haben wir in diesem Jahr ja mal früher Planungssicherheit“, hofft Kapitän Judt.
Die Verantwortlichen basteln jedenfalls schon an der Zukunft. Nachdem unter der Woche Bancé für ein weiteres Jahr ausgeliehen worden war, konnte der OFC gestern neben der Vertragsverlängerung mit Judt auch die von Christian Müller verkünden. Der 24 Jahre alte Außenverteidiger unterschrieb bis 2011. Ebenfalls bis 2011 haben die Kickers den A-Jugendlichen Daniel Goldschmitt gebunden, der von der kommenden Saison an zum Profikader zählt.
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