Aus der Frankfurter Rundschau:
Hans-Jürgen Boysen hatte bereits in den vergangenen Wochen stets darauf hingewiesen, wie er die kurzfristigen Perspektiven der Offenbacher Kickers einschätzt. Allen, die den Zweitligaabsteiger vor Saisonbeginn in der neuen dritten Profiliga zum Kreis der Aufstiegsanwärter gezählt hatten, hielt der neue alte Trainer des OFC entgegen, dass derlei Erwartungen nicht der Realität entsprechen. Nach dem 1:1 (0:1) der Offenbacher am Samstag beim VfB Stuttgart II sah sich der 51-Jährige bestätigt. „Wir werden noch eine Weile brauchen, bis die Mannschaft das komplette Leistungsvermögen hat“, sagte Boysen. Ähnlich sah es auch Sportmanager Andreas Möller. „Wir haben noch viel Arbeit vor uns“, sagte der Weltmeister von 1990 nach dem Schlusspfiff im gähnend leeren Gottlieb-Daimler-Stadion.
Vor allem der Auftritt des OFC in der ersten Halbzeit hatte Boysen missfallen. Behäbig habe sein Team gespielt und „zu frühe und zu einfache Ballverluste“ gehabt, so der Kickers-Trainer. Offensichtlich litten die Spieler des OFC stärker an Premierenfieber, als Boysen zuvor angenommen hatte. „Der Kopf hat uns behindert, es waren nicht die Beine“, bilanzierte der Trainer. Nur dank des starken Torhüters Robert Wulnikowski kam der OFC um eine Niederlage herum. Der 30-Jährige hielt die Kickers nach dem Rückstand durch Sebastian Hofmann (38.) mit einer Glanzparade gegen den Torschützen (51.) im Spiel.
Mit der Vorstellung nach der Pause, als die Offenbacher deutlich zielstrebiger und ballsicherer agierten und folgerichtig mit dem 1:1 durch Steffen Haas‘ Kopfballtor (63.) belohnt wurden, sei er aber zufrieden gewesen, so Boysen. Aufgrund der zweiten Halbzeit bescheinigte Boysen seinem Team insgesamt auch, „einen guten Job“ gemacht zu haben. Und somit sei das Remis „im Nachhinein ein Erfolgserlebnis für uns“.
Grundsätzlich, so Boysen, habe sich gezeigt, dass „die Findungsphase noch nicht abgeschlossen ist“. Was wenig verwundert bei einer vollkommen umgekrempelten Mannschaft, in der aus dem Kader des Vorjahres von Beginn an nur noch der neue Kapitän Martin Hysky auf dem Platz stand. Nachhaltig beunruhigt zeigte sich Boysen aber nicht. „Wir haben unsere Grenzen gesehen“, sagte er zwar, „aber auch sehr gute Ansätze für die Zukunft.“
Ernüchterung in Aue
Bereits heute Abend muss seine Mannschaft wieder ran. Um 19.30 Uhr steigt im heimischen Stadion am Bieberer Berg das Testspiel gegen den Zweitligisten FSV Mainz 05, in dem der langjährige OFC-Torhüter Cesar Thier verabschiedet wird. Der 40-Jährige hatte seine Karriere im zurückliegenden Mai beendet und ist mittlerweile Torwarttrainer beim Bundesligaaufsteiger 1899 Hoffenheim.
Denkbar schlecht lief der Premieren-Spieltag der neuen Klasse, zu deren ersten zehn Spielen im Schnitt 6050 Zuschauer pro Partie in die Stadien kamen, für andere Favoriten. Zweitligaabsteiger Erzgebirge Aue verlor ebenso zu Hause wie die vor der Saison hoch gehandelte Fortuna aus Düsseldorf. Die musste gar eine deutliches 1:4 gegen den SC Paderborn hinnehmen. Die Ostwestfalen bewiesen damit, dass sie zu Recht als Aufstiegsanwärter Nummer eins benannt wurden und gehen nun als erster Tabellenführer der neuen Spielklasse in die Geschichte ein. Ärgster Verfolger ist die Spielvereinigung Unterhaching nach dem 3:0 gegen Werder Bremen II. Hachings Trainer Ralph Hasenhüttl trat aber sofort aufkommendem Überschwang entgegen. „Eine gestiegene Erwartungshaltung ist nur dann förderlich, wenn sie realistisch ist“, sagte Hasenhüttl und erinnerte an einen Spruch seines Dortmunder Kollegen Jürgen Klopp: „Wer nach dem ersten Spiel in Euphorie verfällt, der sollte die Drogen schnell absetzen.“
In Aue herrschte nach dem 0:2 gegen Eintracht Braunschweig Ernüchterung. „Wir haben uns große Steigerungsraten für die kommenden Partien offen gehalten“, sagte Trainer Rico Schmitt mit beißendem Unterton in Richtung seiner Spieler. hunz/sid