Aus der Frankfurter Rundschau:
Die Freude über den unverhofften Pokalsieg wollte Waldemar Klein unbedingt teilen. Der stramm auf die 90 zugehende Ehrenpräsident der Offenbacher Kickers erinnerte sich nach dem 1:0 über die klassenhöhere Spielvereinigung Greuther Fürth an bessere Tage. „Der Fritz Walter hat mir mal gesagt: ,Wenn ich in die Nähe des Bieberer Bergs komme, dann schlackern mir schon die Knie.“
So viel Angst und Schrecken sollen die Kickers künftig wieder verbreiten, hofft Klein nach dem eindrucksvollen Auftritt vor 7700 Zuschauern nicht ohne Grund. Vergangene Woche hatte er seine „Jungs“ am eigenen See in in Hainburg zu Gast, es gab Hühnchenbrust, Nudeln und frische Blattsalate – und Klein glaubte schon dort gespürt zu haben, „welch guter Geist in dieser Mannschaft steckt“. Den Geist der berüchtigten Stopper Ferdi Emberger, Willi Magel und Anton Picard, vor denen sich der alte Fritz so sehr fürchtete, möchte Klein nur zu gern wiederbelebt sehen. „Bei denen“, erinnert er sich versonnen, „ist sogar einmal der Ball zerplatzt.“
Nun, die neuen Kickers, von Trainer Hans-Jürgen Boysen sorgsam zusammen- und gegen Fürth intelligent eingestellt, machen weniger durch brachiale Zweikampfführung als vielmehr durch ein ansehnliches Kombinationsspiel auf sich aufmerksam. Kapitän Martin Hysky, einer der wenigen erfahrenen Spieler unter vielen jungen Hüpfern, spart nicht mit Lob für den neuen Coach: „Er ist eine entscheidende Person bei uns, er macht klare Ansagen, er will, dass wir Fußball spielen. Das ist ganz anders als in der vergangenen Saison.“
Tatsächlich fiel gegen die Franken, die sich zum Favoritenkreis der kommenden Zweitligasaison zählen, auf, dass die Kickers 2008/2009 spielerisch eher besser als die Mannschaft des Vorjahres sein dürften. Vor allem deshalb, weil im zentralen Mittelfeld im aus Hoffenheim ausgeliehenen Steffen Haas ein sehr gut ausgebildeter Kombinationsspieler agiert und der Torschütze Benjamin Baier seine technische Fähigkeiten nun zum Wohle der Mannschaft nutzt. Hinzu kommt ein hervorragender Torwart. Der ehemalige Schalker Kumpel Robert Wulnikowsi, ein kräftiger, 1,92 Meter großer Kerl, traute sich gegen Fürth auch im strömende Regen der Schlussphase noch mutig zum Flanken-Pflücken aus dem Tor heraus. Und vorne rannte sich der einzige Stürmer Mirnes Mesic die Füße derart wund, dass Klein ihn prompt ein weiteres Mal zum Angelsee einlud und ihm den größten Fisch versprach. Mit zwei überzeugenden Heimauftritten binnen sieben Tagen haben die Kickers es in aller Eile geschafft, „unsere Fans wieder auf unsere Seite zu bekommen“, wie Hysky zufrieden feststellen konnte.
Das ganze Füllhorn an Lob, das Anhänger und Medien nun über die Spieler ausschütten, wird ohne Überschwang verarbeitet werden, da ist Trainer Boysen sich ziemlich sicher. „Die Jungs sind vernünftig, und wenn ich spüren würde, dass sich da etwas anbahnt, dann werde ich reagieren. Aber dafür gibt es keinen Ansatz.“
Umso ernsthafter ist nun der Ansatz, einen ansehnlichen Anteil jener mindestens 300 000 Euro, die das Weiterkommen im DFB-Pokal den Kickers beschert, in eine Verstärkung für den Angriff zu investieren. Vizepräsident Thomas Kalt sucht nun nach einem „Mittelweg zur Wunscherfüllung des Trainers und des Schatzmeisters“. Kalt hat den 4,5-Millionen-Euro-Etat für die Drittligasaison angesichts des drastisch verringerten TV-Geldes im Vergleich zu Liga zwei (knapp 600 000 Euro statt zuvor gut vier Millionen Euro) nämlich noch längst nicht vollständig beisammen. Aber er sieht ein, „dass wir dem Trainer einen Wunsch erfüllen sollten“. Gestern Nachmittag konnte Boysen indes noch keinen Vollzug auf der dringenden Suche nach einem zweiten starken Stürmer vermelden.
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